Position des AStA zur Group of 20 und deren Treffen am 07. und 08. Juli in Hamburg

21. Juli 2017|

Position des AStA der Universtität Siegen zu den Vorkommnissen und dem Treffen der G20 in Hamburg.

Im Sinne der Übersichtlichkeit möchten wir dies unterteilt in vier Teilbereiche und möglichst chronologisch vornehmen.

Diese vier Teilbereiche umfassen:

  1. Warum wir die G20 ablehnen
  2. Die (De-)Eskalationsstrategie der Polizei
  3. Militanter Widerstand und sinnlose Randale
  4. Gleichsetzung der Vorkommnisse in Hamburg mit rechtsextremem Terror und islamistischem Terror

  1. Warum wir die G20 ablehnen

Die Group of 20 entstand im Zuge der Finanzkrise von 1997 in Asien als Treffen der wirtschaftlich stärksten Nationen, um den Finanzminister*innen dieser Länder eine Austauschplattform zu bieten. Die Gründung erfolgte am 15./16. Dezember 1999 in Berlin.

Nach und nach wurde die Group of 20 erweitert und nach der Finanz-und Wirtschaftkrise 2008 trafen sich erstmals die Staats-und Regierungschef der entsprechenden Länder.

Die G20 vertreten dabei indirekt (indirekt aufgrund der Mitgliedschaft der EU und damit der indirekten Vertretung aller EU-Länder), circa zwei Drittel der Weltbevölkerung. Zudem erwirtschaften die G20 über 85 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Außerdem dominieren diese 20 Staaten drei Viertel des weltweiten Handels.

Im Gegensatz zur UN werden bei diesen Treffen eben gerade die schwächsten Staaten nicht eingeladen, sondern erhalten höchstens Beisitzer*innenposten. Darüber hinaus dreht sich ein Großteil der Verhandlungen der G20 um wirtschaftliche Fragen. Bedingt durch die einseitige Zusammensetzung ihrer selbst, liegt der G20 die Gefahr inne, die wirtschaftlich schwachen Staaten (und damit auch ihre Bevölkerung) aus einem Entscheidungsprozess auszuschließen, welcher sich in der Folge unmittelbar auf sie selbst auswirkt, und zwar so, dass die im besonders exponierten Maße unter den Beschlüssen der G20 leiden. Dieser Vorgang kann zur Ausbeutung der ohnehin schon Schwachen führen.

Die G20 können somit zu Recht als völkerrechtlich illegitim bezeichnet werden. Verhandlungen dieser Art sollten nach der Meinung des AStA vor der UN stattfinden. Dazu wäre eine Reformierung und Aufstockung des UN-Sicherheitsrates notwendig, um auch kleineren Ländern Gehör zu verschaffen.

Im Zuge dieses Gipfels (und weiterer Gipfeltreffen der G7, G9 etc…) wurden sehr viele Freihandelsabkommen vorbereitet, welche dazu führen, dass in armen Ländern unter unmenschlichen Bedingungen produziert wird.

Ein tatsächlich wirksamer Beschluss der G20 wäre es z.B. nur noch Textilien einzuführen, die nicht durch Kinderarbeit, unter schweren gesundheitlichen Schäden oder ähnlichem entstanden sind.

Aus den vorgenannten Gründen lehnt der AStA der Uni Siegen ein Treffen der G20 ab und fordert alle Verhandlungen öffentlich durch die UNO zu organisieren und durchzuführen.


  1. Die (De-)Eskalationsstrategie der Polizei

Dass dieser Gipfel nicht friedlich ablaufen sollte, war bereits mit der Bekanntgabe von Hartmut Dudde als Einsatzleiter zu befürchten. Hartmut Dudde hat bereits eine Vielzahl an Einsätzen geleitet, welche anschließend von Gerichten für rechtswidrig erklärt wurden (vgl. Bürgerschaft der Freien- und Hansestadt Hamburg (2015): Schriftliche Kleine Anfrage. Online verfügbar unter: Link). Diese Befürchtung hat sich bereits im Vorfeld des Gipfels bewahrheitet, als ein Protestcamp friedlicher Demonstrierenden, welches vorher von einem Gericht zugelassen wurde, gewaltsam geräumt wurde.

Ab dem Donnerstag wurde dann endgültig die Linie der Polizei klar, als eine bis dahin friedliche Demonstration sehr bewusst und mit extremer Brutalität versucht wurde aufzulösen. Nach Aussage der Polizei musste sie wegen zahlreicher Vermummungen eingreifen (Vermummung ist nach Paragraf §17 Abs. Versammlungsgesetz, auf einer Demo nicht gestattet). Ein Einsatz, welcher sich jeder Verhältnismäßigkeit entzieht. Bei ähnlichen Demonstrationen werden Vermummungen doch häufig geduldet, um seitens der Polizei deeskalierend zu wirken. Die Strategie der Exekutive in Hamburg war hingegen auf Eskalation angelegt.

Nach ungefähr 45 Minuten stürmte die Polizei mit extremer Gewalt und unter dem massiven Einsatz von Pfefferspray und Wasserwerfern die Demonstration. Von einer simplen „Abtrennung” des „schwarzen Blocks” kann hier nicht mehr geredet werden. Der überwiegende Teil der Demonstrierenden, welcher nicht dem „schwarzen Block” angehörig war,  wurde in der anschließend sehr unübersichtlichen Lage ebenfalls angegriffen, sowohl mit Pfefferspray, als auch mit Schlagstöcken. Dutzende von friedlichen Demonstrierenden wurden verletzt und mussten behandelt werden. Als nach mehreren Stunden die neuformierte Demonstration „Welcome to Hell” endlich losgehen konnte – eine Demonstration die ohne Auflagen genehmigt wurde – war nach wenigen Hunderten Metern wieder Schluss und die zu diesem Zeitpunkt absolut friedliche Demo wurde abermals gewaltsam gestoppt.

Anschließend spielten sich im gesamten Bereich auf St. Pauli und dem Sternschanzenviertel kleine und große Scharmützel zwischen Demonstrierenden und Polizei ab, bei der auch Sanitäter*innen, Pressevertreter*innen und etliche friedliche Demonstrierende angegriffen, verletzt und in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Diesen ersten Abend der Demonstrationen rund um den G20-Gipfel hat die Polizei bewusst und in vollem Bewusstsein eskalieren lassen. Der antikapitalistische Protest war von den Behörden nie gewünscht und die Kritik am System sollte durch Polizeigewalt im Keim erstickt werden.

Der Morgen des zweiten Tages fing mit einer Vielzahl an annähernd reibungslos ablaufenden Protesten rund um den Hafen, im Innenstadtgebiet und auf St. Pauli an. Allerdings hat die Polizei bereits ab Mittag (wieder) ihre hässliche Fratze aufgezogen und die Demonstrationen, welche die Staatsgäste vor der Elbphilarmonie empfangen wollten, mit großer Härte niedergeschlagen. Auch diese Proteste liefen von Seiten der Demonstrierenden weitgehend friedlich ab, obwohl es hier bereits zu ersten Formen des militanten Widerstands (mehr dazu unter Punkt 3) kam.
Darüber hinaus ist aus vielen Berichten zu entnehmen, dass es zu einer wesentlichen Einschränkung der Pressefreiheit kam, diese Verstöße sind über das gesamte Wochenende gut dokumentiert.
Auch wurde offenbar die Arbeit von Anwält*innen das gesamte Wochenende über behindert (vgl. Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (2017): Hamburger Polizei greift freie Advokatur an. Online verfügbar unter: Link)

Der Samstag war gekennzeichnet durch die Großdemonstrationen „Grenzenlose Solidarität statt G20″ und „Hamburg zeigt Haltung”. Auch hier kam es im Nachlauf der Demo „Grenzenlose Solidarität statt G20″ zu Drohgebärden und nicht begründeten Kontrollen einzelner Personen.


  1. Militanter Widerstand und sinnlose Randale

Am Freitagmorgen zog eine Kleingruppe aus Autonomen durch gut situierte Stadtviertel in Altona und zündeten dort Autos an und zerstörten Fenster. Das Anzünden von Autos und die Ausübung von Gewalt ist nicht sinnvoll und darf nicht passieren, dies ist kein Ausdruck linker Politik in unserem Verständnis.

Insbesondere am Freitagabend kam es im Schanzenviertel zu militantem Widerstand und nicht verständlicher Randale.

Der militante Widerstand wurde geleitet von gut organisierten Kleingruppen, welche unterstützt durch den hervorgerufenen Zorn der letzten Tage, auch von weiteren Menschen begleitet wurde.

Der sogenannte „schwarze Mob” hat seine Aggression klar und zielgerichtet gegen die staatlichen Repressionsorgane gerichtet und keine kleinen inhabergeführten Geschäfte auf der Schanze zerstört. Dies waren hauptsächlich alkoholisierte Jugendliche, die in dieser Nacht die Chance sahen, ihrer Wut und ihrer Perspektivlosigkeit Ausdruck zu verleihen. Diese Gewaltentleerung „einfacher Bürger*innen” ist das, was der Politik zu denken geben sollte. Selbstverständlich heißt der AStA keinerlei Gewalt gut, egal ob gegen Mensch oder Gegenstände.

Die Abwesenheit der Polizei war/ist bemerkenswert und auch die umstehenden Kräfte waren im Gegensatz zum vorangegangen Abend deutlich weniger. Dies überrascht, da die Polizeiführung die Situation im Vorfeld als unkalkulierbar eingeschätzt hat.

Wir verweisen dazu auch gerne auf eine Stellungnahme von betroffenen Inhaber*innen aus der Schanze:

Vgl. https://www.facebook.com/BistroCarmagnole/posts/1451018668300206

Wir rufen zu einer differenzierten Betrachtung der Ereignisse in Hamburg auf und lehnen jede populistische Forderung, die nun aus der rechten und reaktionären Ecke kommt, ab!


  1. Gleichsetzung der Vorkommnisse in Hamburg mit rechtsextremem Terror und islamistischem Terror

Wir lehnen jegliche Gewalt ab. Allerdings lehnen wir auch den Extremismusbegriff ab, welcher seit den Vorkommnissen in Hamburg wieder häufiger zirkuliert. Diese „Gleichmacherei“ ist sozialwissenschaftlich höchst umstritten und kaum haltbar.

Mit diesem Begriff wird eine Links-Rechts-Dichotomie aufgemacht, welche geprägt ist von einem Denken, das eine objektive „Mitte“ existiere, von der aus die politischen Ränder „rechts“ und „links“ gleich weit entfernt seien. Eine solche Vorstellung ist unterkomplex und relativiert den Rechtsextremismus. Die Problematik führt sich fort,  so dass die erwähnte Gleichsetzung sogar vom Rechtsextremismus selbst instrumentalisiert wird. (Vgl. Decker, Oliver et al. (2010): Die Mitte in der Krise, S. 10ff)

“Der Begriff ‘Rechtsextremismus’ habe sich eingebürgert und es existiere auch eine ‘ungefähre Vorstellung von den Untersuchungsobjekten’, während das bei ‘Linksextremismus’ nicht der Fall sei. Eine Gleichsetzung der ‘Extremismen’ verbiete sich aus inhaltlichen Gründen. Wir schließen uns dieser Kritik an, da die sehr heterogenen gesellschaftlichen Gruppen, die gewöhnlich als ‘linksextrem’ bezeichnet werden – anders als beim Rechtsextremismus – nicht von einer radikalen Ungleichheitsvorstellung getragen werden, sondern von der Radikalisierung des Egalitätsgedankens. Da aber Egalitätsvorstellungen Kennzeichen der liberalen Demokratien seit der Französischen Revolution sind, zeigt sich das Problem des Extremismusbegriffs unter anderem sehr deutlich bei den als ‘linksextrem’ Bezeichneten: ‘Diese verstehen sich selbst fast durchgängig als demokratisch orientiert und akzeptieren zu 94 Prozent das Grundgesetz’ (Neugebauer, G. (2000): Der Fächer des Bösen – Was wir mit Extremismus alles zu meinen meinen. Eine kurze Befassung mit Begriffen und Thesen, S. 24f. Zitiert nach: Decker, Oliver et al. (2010): Die Mitte in der Krise, S. 15).“

Unsere Solidarität gilt den Protestierenden, die Hamburg bunt und laut gemacht haben!

Der AStA der Universität Siegen

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